Selbstverständnis

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Wir sind ein Arbeitskreis der Initiative Psychologie im Umweltschutz e.V. Die meisten von uns haben durch Ausbildung oder Beruf einen Bezug zur (Umwelt-)Psychologie, wir legen aber Wert auf die Mitarbeit von und den Austausch mit allen Interessierten.

Ziel und Zweck des Arbeitskreises ist es, die Ansätze der Kritischen Umweltpsychologie* weiterzuentwickeln, bekannter zu machen und in die Praxis zu bringen.
*Fußnote: Wir schreiben Kritisch mit großem K in Anlehnung an die Kritische Psychologie nach Klaus Holzkamp, die wir in vielen Punkten als Inspiration betrachten, ohne uns anderen Ansätzen zu verschließen.    

Die Kritische Umweltpsychologie ist keine feste und einheitliche Disziplin, sondern ein Oberbegriff für unterschiedliche Ansätze und Themenfelder, die sich kontinuierlich weiterentwickeln und verändern. Die folgenden Punkte geben einen Überblick über die Gemeinsamkeiten der Ansätze: 


Grundsätzliches Thema: Soziale Prozesse im Zusammenhang mit Ökologie 
Gegenstand der kritisch-umweltpsychologischen Ansätze ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit psychischen, sozialen und gesellschaftlichen Prozessen im Zusammenhang mit ökologischer Umwelt im Allgemeinen und der Klimakrise im Speziellen. Kritische Umweltpsychologie versteht dabei das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft als unauflösliche Wechselbeziehung und hat den Anspruch, beide immer zusammen zu betrachten. 


Ziel: Wandel zu sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit unterstützen
Ziel ist es oben genannte Prozesse zu untersuchen und zu verstehen. Die Erkenntnis ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, die ökologischen Krisen, die die Menschheit, andere Lebewesen und Ökosysteme bedrohen, abzuwenden oder bestmöglich abzumildern. In diesem Sinne werden aufbauend auf dem gesammelten Wissen praktische Anwendungen entwickelt und durchgeführt.Die Aktivitäten, Programme und Veröffentlichungen der Kritischen Umweltpsychologie orientieren sich weiterhin an den Werten von Demokratie, Frieden und Menschenrechten sowie globaler und sozialer Gerechtigkeit. Hierzu zählen wir vor allem auch Klimagerechtigkeit im Sinne einer global gerechten Verteilung von Ressourcen, (Anbau-)Flächen und Zugang zu guten Lebensräumen für alle Menschen unabhängig von ihrem sozialen Status, ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft und anderen Diversitätsmerkmalen. 


(Von Individuen bewirkte) strukturelle Änderungen stehen im Fokus
Individuelle Faktoren reichen nicht aus, um umweltrelevantes Handeln zu erklären und individuelle Änderungen reichen nicht aus, um die ökologischen Krisen zu lösen. Bei der Erklärung von Handeln müssen gesellschaftliche Strukturen berücksichtigt werden. Für die Lösung der ökologischen Krisen sind strukturelle Änderungen erforderlich. KUP berücksichtigt dies in der Wahl ihrer Themen, Forschungsfragen und Theorien und richtet ihren Blick insbesondere darauf, wie Individuen zu strukturellem Wandel beitragen können. 


Gesellschaftliche Produktions- und Wirtschaftsweisen sowie Machtverhältnisse werden als prägende Strukturen mitgedacht
Gesellschaften und Menschen sind wesentlich davon geprägt, wie Arbeit in einer Gesellschaft stattfindet, wie die Besitz- und Machtverhältnisse sind und Güter verteilt werden. Ein besonderer Beschäftigungsfokus der KUP liegt deshalb auf Widersprüchen und Konflikten, die sich für Menschen aus dem Spannungsfeld von auf Wachstum beruhenden Arbeits- und Produktionsweisen und konsequentem Umweltschutz ergeben. Die KUP übt Kritik an bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen wie z.B. Kapitalismus, Neoliberalismus und Systemen der Ungleichmachung von Menschen, ohne, dass wir eine bestimmte Deutung als allein richtig ansehen oder voraussetzen.


Politische Positionierung 
In diesem Zusammenhang vertritt KUP die Überzeugung, dass Sozialwissenschaft nicht unpolitisch sein kann, da der Versuch der Neutralität die bestehenden Verhältnisse stützt. Die Vermeidung einer erklärten normativen und politischen Position ist daher für die Kritische Umweltpsychologie weder möglich noch wünschenswert. Vielmehr halten wir es für wichtig, dass implizite politische Positionen transparent gemacht werden.


Interdisziplinarität und Transdisziplinarität
Die Fragestellungen der KUP ergeben sich aus konkreten Problemen, die im Zusammenhang mit dem Ziel der KUP (siehe oben) in der Welt beobachtet werden. Dabei wird die Komplexität der beobachteten Probleme sowie ihre Einbezogenheit in größere Systeme mitgedacht. Aus diesem Anspruch ergibt sich eine interdisziplinäre Theoriebildung und Methodenauswahl, da sowohl die ökologischen Krisen als auch die Wechselbeziehung zwischen Individuen und Gesellschaft durch die Linse einer einzelnen Disziplin nicht in ihrer Gänze erfasst werden können. Aus demselben Grund ist kritisch-umweltpsychologische Arbeit möglichst auch transdisziplinär im Sinne einer gemeinsamen Erarbeitung von Wissen zwischen akademisch-universitären und anderen Akteuren. 


Wissenschaft kann auch außerhalb von Universitäten stattfinden 
Wissenschaft kann, muss aber in diesem Zusammenhang nicht bedeuten „universitäre Wissenschaft“. In unserem Verständnis kann jede Praxis, die gezielt und systematisch Wissen nach wissenschaftlichen Kriterien im Sinne der oben genannten Punkte zu gewinnen versucht, als kritische Wissenschaft verstanden werden.


Methodenoffenheit 
Die Forschungsmethoden kritisch-umweltpsychologischer Arbeiten werden so ausgewählt, dass die Fragestellungen bestmöglich bearbeitet werden können, unter Berücksichtigung des emanzipatorischen Anspruchs (siehe unten), der ökologischen Validität sowie der Möglichkeiten und Restriktionen innerhalb des beforschten realweltlichen Systems. Daraus ergibt sich eine grundsätzliche Offenheit für unterschiedlichste Forschungsmethoden. 


Emanzipatorischer Anspruch: Wissen „für Menschen“ statt Wissen „über Menschen“
Wissenschaft soll so gestaltet sein, dass Forscher*innen und Beforschte möglichst gleichberechtigt am Forschungsprozess teilhaben und gemeinsam über Fragestellung, Methoden und Ergebnisse entscheiden. Das gewonnene Wissen soll nicht dazu dienen, dass mit seiner Hilfe über Menschen verfügt wird, diese manipuliert werden oder Machtgefälle vergrößert werden. Stattdessen soll das Wissen möglichst hierarchie- und barrierefrei insbesondere betroffenen Menschen zugänglich gemacht werden, Selbsterkenntnis und Selbstbestimmtheit fördern und dazu dienen, Handlungsmöglichkeiten zu erweitern – egal ob im privaten Bereich, in der Politik oder in Organisationen.


(Stand Dezember 2021)